Touristen schießen Fotos von Sehenswürdigkeiten, Museumsbesucher lichten die Ausstellungsgegenstände ab, Konzertteilnehmer filmen ununterbrochen das Geschehen auf der Bühne, …
Auf unseren Handys sammeln sich Unmengen von Bildern und Videos, die wir uns vielleicht nie mehr ansehen werden. Aber mit dem gemachten Foto sind wir auf der sicheren Seite: Sollten wir uns irgendwann an die tolle Atmosphäre erinnern oder andere an unserem wunderbaren und erfüllten Leben teilhaben lassen wollen, ist alles nur einen Klick auf dem Bildschirm entfernt. Aber ist das wirklich so? Schafft es das Bild, die Situation realitätsgetreu einzufangen und abzubilden?
Oft beschleicht uns die Angst, nicht fotografierte Dinge zu vergessen. Hast du etwas nicht fotografiert, ist es nicht geschehen. Nicht wirklich. Stimmt das? Ist die Situation nicht vielmehr nicht „wirklich“ geschehen, weil ich damit beschäftigt war, sie möglichst perfekt für einen späteren Zeitpunkt festzuhalten? Wenn ich alles nur durch die Linse meines Smartphones sehe, kann ich die Atmosphäre in den wenigsten Situationen selbst überhaupt wahrnehmen. Beschäftigt damit, das perfekte Motiv möglichst perfekt abzulichten verpasst man vieles, nur um später festzustellen, dass das Foto die Situation doch nicht so gut darstellen kann: Der Blitz macht komische Spiegelungen, die Farben sind zu trüb, die Umrisse verschwommen. Von den Hunderten gemachten Fotos landet mindestens die Hälfte im Papierkorb. Ist es das wirklich wert?
Es geht ja nicht mal um den verschwendeten Speicherplatz, sondern vielmehr um die verschwendete Lebenszeit. Um die verpassten Lebensmomente. Wie viel Zeit verbringe ich damit, Fotos zu schießen, die ich mir nie wieder ansehen werde oder die schlussendlich im Papierkorb landen werden? Kann ich Momente überhaupt noch richtig genießen oder bin ich allein von dem Bedürfnis geleitet, jetzt ein schönes Foto zu schießen, damit ich später zurückdenke, an den sicher wunderbaren bereits vergangenen Moment, den ich in Wahrheit nicht richtig genießen konnte?